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Barbara Ph. Schnetzler – Text Werke I Ausstellungen I Vita
 
Von Formen und ihrer Überschreitung – Zu den Plastiken und Zeichnungen von Barbara Schnetzler
Im Zentrum des künstlerischen Schaffens von Barbara Schnetzler stehen die Erscheinung des Menschen, respektive amorphe, figurative Formen. Bereits ein flüchtiger Blick auf eine Auswahl ihrer Arbeiten offenbart eine grosse Vielfalt in Bezug auf die verwendeten Materialien und auf den in den verschiedenen Techniken zur Geltung gebrachten Reichtum künstlerischer Ausdrucksweisen. Dabei zeigt die Künstlerin in ihrem noch jungen Werk sowohl in den Plastiken als auch den Zeichnungen ein hohes Mass an Neugierde beim Erkunden gestalterisch unbekannter Wege, eine sorgfältige, sensible Bearbeitung des jeweiligen Materials wie auch eine wache, differenzierte Wahrnehmung im Umgang mit dem eigenen Tun.
In beiden Medien zeigt sich ein intensiver und sich gegenseitig befruchtender Dialog zwischen formgebundenen, beschreibenden und formbefreiten Linienverläufen, aus denen sich letztlich die Figur konstituiert. Dieses Wechselspiel wirkt sich zusätzlich potenzierend auf das Verhältnis von Figur und Raum aus, welches sich in vielfältiger Weise in statischen, stabilisierenden oder dynamischen, fragilen Formverläufen äussern kann. Der konventionelle Konturverlauf, der der Figur seine festigende Hülle verleiht, wird dabei regelrecht aufgebrochen und geht oft weit über diesen hinaus, wodurch die Figuren sich in einem – wenn auch physisch nicht greifbaren – auratischen Wirkungsraum zusätzlich gebärden und entfalten können.
Zeichnungen
Gerade bei Bildhauern erweist sich die Arbeit im zweidimensionalen Medium der Zeichnung als überaus fruchtbar im Dialog mit dem plastischen Werk. So auch bei Barbara Schnetzler. Ihre Zeichnungen sind weit mehr als blosse Übungen in Proportion, Figur-Raum-Verhältnis, Sicherheit in der Linienführung und dergleichen, die den Plastiken als Skizzen vorausgehen. Die Zeichnungen bilden in ihrem Schaffen einen eigenständigen Zweig, die dem Bertachter erhellende Einsichten in ihre plastischen, dreidimensionalen Arbeiten liefern.
Die Linienführung wird dabei nur selten als streng konturierend aufgefasst. Der zum Strich angesetzte Stift oder Pinsel gerät immer wieder ins Stocken und zeigt dabei abrupte Unterbrechungen, Krümmungen und die bekannte Form nimmt überraschende Wendungen. Dies resultiert allerdings nicht aus einem technischen oder perzeptuellen Unvermögen heraus. An diesem Aspekt werden vielmehr zwei wesentliche Dinge deutlich.
Zum einen zeigt sich, dass wahrnehmendes Sehen eine aktive, bewusste Tätigkeit ist. Die Wahrnehmung und das daraus resultierende Empfinden werden geistig und empathisch reflektiert. Im Akt des Zeichnens, beim Anblick der gezogenen Linie, wird dem Zeichner seine Handlung bewusst und auf dieses Resultat gilt es bereits während des Zeichnens unmittelbar zu reagieren.
Zum anderen zeigen diese im Grunde nichts Konkretes beschreibenden Linien und Strichkürzel, die das Objekt nur umreissen, anstatt in einer fixen Form zu binden, dass solche der Wiedergabe und dem Wesen eines organischen Objekts weitaus mehr entsprechen, als ein konventionelles, rein akademisch verstandenes Nachzeichnen einer äusseren, das Objekt umhüllenden Form. Die Figur steigt gewissermassen aus diesen abstrahierenden und reduzierten Linienverläufen amorph hervor und konstituiert sich vor dem Betrachter immer wieder aufs Neue. Auf diese Weise werden dem Betrachter die Kräfte und Energieströme, die einem Organismus innewohnen, bewusst und nachvollziehbar vor Augen geführt.
Plastiken
An den Plastiken von Barbara Schnetzler fällt zunächst die Vielfalt an verwendeten Materialien auf: verschiedene Steine, Hölzer, auch Metalle und moderne Baustoffe; folglich Materialien aus völlig unterschiedlichen Härte- und Dichtegraden, die eine entsprechend achtsame Behandlung während ihrer Bearbeitung erfordern.
Was die Plastiken in all ihrer unterschiedlichen Materialität, Eleganz und Widerständigkeit eint, ist ein durchdachtes – und keineswegs beliebiges oder willkürliches – Spielen und Experimentieren im Überschreiten bekannter und konventioneller Formen und Körper. Geometrisch klare wie amorphe und rohe Formen, mit mitunter nur minimalistisch erscheinenden Eingriffen, stehen einer makellos glatten oder spröden Oberflächenbeschaffenheit gegenüber. Die gestalteten Körper befinden sich in einem permanenten Wechselspiel von innerer wie äusserer (und entäusserter) Spannung und Entspannung – physischer wie empathischer und psychologischer. Im von der Schwerkraft vorgegebenen Koordinatenfeld vertikaler und horizontaler Dynamismen und Rhythmen dehnen sie sich aus oder ziehen sich zusammen. Damit sucht Barbara Schnetzler die dem Leben innewohnenden Kräfte, die einen jeden Organismus im Gleichgewicht und unter Spannung halten, künstlerisch einen adäquaten Ausdruck zu verleihen.
Die Sockel tragen ebenso einen wichtigen Teil zu dieser Wirkung bei. Sie arbeiten der Skulptur gewissermassen zu und dienen nicht bloss einer rein zweckmässigen Verwendung. Die Sockel schaffen in ihrer eigenen Materialität und Beschaffenheit einen Kontrapunkt zum Objekt, welches auf diesen ruht oder von diesen getragen wird. Auf diese Weise entwickelt sich nicht nur ein Dialog zwischen Sockel und Skulptur, der das spezifische Objekt nicht nur im Raum artikuliert und präzisiert, sondern auch zwischen der Skulptur und ihrer Umgebung, die sich – vom Sockel getragen – in dieser behauptet und sich einen Platz schafft.
Titel
Neben sachlich beschreibenden Titeln wie Torso oder Sitzende oder auch anonymen Titeln wie Ohne Titel, die dem Betrachter einen völlig subjektiven Interpretationsfreiraum anbieten, finden sich immer wieder bewusst gewählte, assoziative Titel wie Ich bin, Zeige Deine Wunde (beide aus dem Jahr 2011) oder Im Leben (2013), mit denen die Künstlerin eine deutliche Position reklamiert, die sich unmittelbar und direkt auf das Leben beziehungsweise das Dasein des Menschen bezieht und diese selbstbewusst im Titel zum Ausdruck bringt.
Es spricht für die Qualität der Arbeiten, dass sich der Betrachter in keiner Weise weder von den Werken noch von der jeweiligen Betitelung in seiner eigenen Wahrnehmung und Lesart eingeschränkt fühlt. In der Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Schaffen von Barbara Schnetzler erfährt der Betrachter eine alternative Sichtweise, an denen er sich reiben kann. In solch einem Dialog mit dem Kunstwerk wird sich der Betrachter seines Daseins und seines Orts in der Welt bewusst, sodass er sich immer wieder neu ausrichten und die eigene Befindlichkeit reflektieren kann.
Kunstwerke entspringen direkt aus dem Lebensprozess und versuchen Antworten auf diesen in einer von Konventionen und Zwängen befreiten, unabhängigen und mitunter subversiven Art zu geben. Daher ist Kunst immer ein dynamisches, kraftvolles und aktives Überschreiten, nie nur statisch, energiefrei oder passiv-konsumierend. Dieser Prozess des Überschreitens lässt sich im künstlerischen Schaffen von Barbara Schnetzler in individueller Weise lohnend nachvollziehen.
Dr. Invar-Torre Hollaus – Basel, Februar 2015
Kataloge
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